Rundum den Firth of Forth – Teil 1
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Dunbar bis Edinburgh
Die letzte Eiszeit formte den Firth of Forth, den Meeresarm, der gleichzeitig die Mündung des Flusses Forth in die Nordsee ist. Weitwanderwege folgen der Küste, an deren Verlauf man malerische Dörfer, Burgen und Schlösser, alte und neue Industrie-Anlagen, römische Ausgrabungen und einzigartige Naturschutzgebiete entdecken kann. Man kann die interessantesten Abschnitte aber auch mit dem Auto besuchen oder in mehreren kleinen Etappen erwandern. Bootsausflüge zu den Inseln bieten ein besonderes Erlebnis, und in den zahlreichen Museen kann man Einblicke in die Geschichte der Region gewinnen. Dieses Gebiet ist eines der reichsten Schottlands in puncto Kunst und Kultur, Geschichte und Gegenwart, Natur und Technik.
Wir beginnen unsere Tour im Südosten, im Städtchen Dunbar, gut mit der Eisenbahn von Edinburgh aus erreichbar. Hier weitet sich der Firth zur Nordsee hin, und die gegenüberliegende Küste ist nur bei klarem Wetter zu sehen. Die Stadt selbst ist heute eine Arbeiterstadt: die größten Arbeitgeber sind Zementfabriken, das Atomkraftwerk von Torness und die Brauerei Belhaven. In früherer Zeit war Dunbar eine Royal Burgh und ständig umkämpft; hier versuchten die Schotten, die immer wieder einfallenden Engländer abzuwehren. Sehenswert, obwohl nicht mehr viel davon übrig ist, ist die Ruine der Burg am Hafeneingang, schon 1568 mutwillig zerstört und seither dem Einfluss der Witterung und des Meeres überlassen. Direkt westlich des Hafens erstreckt sich das Naturschutzgebiet John Muir Country Park, benannt nach dem berühmtesten Sohn Dunbars, dem Naturforscher, der später in die USA auswanderte. Eine Wanderung entlang der Sandstein-Klippen ist empfehlenswert und führt einen zur wunderschönen Sandbucht Belhaven Bay. Bei Ebbe gelangt man über eine Brücke hinüber auf die weiten Sandflächen. Bei Flut jedoch erhebt sich die Brücke direkt aus dem Wasser, und es scheint als führe sie nirgendwo hin.
Etwas weiter westlich, vier Meilen vor North Berwick, befindet sich ein absoluter Geheimtipp. Über eine kleine Zufahrtsstraße, wo man bei der Schrankenanlage drei Pfund einwerfen muss, gelangt man nach Seacliff Beach. Hat man kein Auto, so kann man den Busfahrer des Busses 120 bitten, einen in Auldhame aussteigen zu lassen. Der Bus geht nur alle 2 Stunden, man kann allerdings auch Tantallon Castle einen Besuch abstatten, das ungefähr 30 Minuten Fußweg entfernt liegt.
Seacliff Beach ist wohl einer der schönsten Strände Schottlands. Am südöstlichen Ende des Strandes findet man einige Gesteinsformationen, „Saint Baldred’s Boat“ genannt, die aus dem Meer herausragen. Sie sind berüchtigt dafür, dass hier Einheimische mit Lichtern vorbeifahrende Schiffe irreführten, damit sie auf die Felsen auflaufen, um anschließend geplündert zu werden. Der Schriftsteller Robert Louis Stevenson wuchs hier auf und verarbeitete diese abscheulichen Ereignisse später in seiner Geschichte „The Wreckers“ und im Roman „Catriona“. Schon auf dem Weg zum Strand sieht man hinter den Bäumen die Ruine von Auldhame Castle hervorschauen, das einst das Zentrum einer kleinen Ortschaft war. Folgt man der Forststraße nach Südosten, so entdeckt man hinter einem Wäldchen neben einem Bauernhaus die imposanten Reste von Seacliff House, die allerdings nicht öffentlich zugänglich sind.
Ganz im Westen des Strandes findet man völlig überraschend einen kleinen, in den Sandstein gehauenen Hafen. Er wurde 1890 mit einfachsten Mitteln gebaut und ist vielleicht der kleinste Schottlands. Dieser versteckte Hafen war unter anderem ein Grund, warum Seacliff Beach im Ersten Weltkrieg eine streng geheime Marinebasis war. Blickt man um die Landspitze im Westen herum, so hat man eine herrliche Aussicht auf Tantallon Castle auf den Klippen. Weiter draußen im Meer erhebt sich der imposante Bass Rock mit seinem Leuchtturm und einem ehemaligen Gefängnis. Die Legende besagt, dass der Heilige Baldred, Missionar aus Irland im 8. Jahrhundert, hier am Seacliff Beach in einer Höhle Ruhe und Einsamkeit suchte (St. Baldred’s Cave), bevor er auf den Bass Rock übersetzte, um dort seine Eremitage zu gründen. Er soll auch die nach ihm benannten Gesteinsformationen, die sich einst mitten im Fjord befanden, auf wundersame Weise wie ein Boot Richtung Land gesegelt haben, und damit viele Schiffe vor dem Auflaufen bewahrt.
Stündlich fahren Pendlerzüge von Edinburgh aus nach North Berwick. Dieser kleine Ort ist immer wieder einen Besuch wert. Schöne Strände laden zu Spaziergängen ein, und der Ort selbst bietet nette Cafés und Restaurants zum Verweilen. Zwischen kleinen Fischerhäuschen und umgebauten Hafenspeichern spaziert man hinaus bis auf den Felsvorsprung beim Hafen, vorbei an den Ruinen eines kleinen Kirchleins. Hier ließ Duncan, der Earl of Fife, im Jahr 1154 eine Kirche und ein Hospital für Pilger errichten, die zu Tausenden auf ihrem Weg nach St. Andrews in North Berwick Schiffe über den Firth of Forth bestiegen. Die Pilger waren oft geschwächt, chronisch krank und hofften auf Heilung, und sie beteten wohl für eine sichere Überfahrt. Von der einstigen Kirche sieht man nur noch die Umrisse, und eine kleine Vorkapelle blieb erhalten. Am Freizeithafen mit seinen vielen bunten Booten findet man ein aufgelassenes, zubetoniertes altes Freibad. Diese Einrichtung zeugt von der Bedeutung North Berwicks als Bade- und Ausflugsort am Beginn des 20. Jahrhunderts. Leider sind nicht mehr viele dieser Pools in Schottland übrig; die Badesaison ist zu kurz, und sie sind nicht rentabel.
Direkt neben der Kirchenruine befindet sich nicht nur ein kleines Lokal in einem Steinhäuschen mit ausschließlich Gastgartenbetrieb, sondern vor allem das Scottish Seabird Centre. Hier gibt es ein nettes Café mit Terrasse und Innenbereich, einen Souvenir-Shop und im Keller einen Raum mit live-Kamera-Aufnahmen von den Inseln im Firth of Forth. Man kann hier, selbst im Trockenen sitzend, Seevögel und Robben beobachten. Man kann aber auch eine der zahlreichen Bootstouren zu den Inseln buchen. Im Herbst sieht man mit etwas Glück Robbenbabys, im Frühsommer brüten die Vögel. Nähert man sich Bass Rock, so wird man fast überwältigt vom Gestank: Der Felsen leuchtet weiß vom Vogeldreck. Es ist auch empfehlenswert, an Bord des Bootes eine Kopfbedeckung zu tragen. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie auf dieser Insel einst der Heilige Baldred zwischen den Vögeln hauste, und dass dort im Mittelalter die Familie Lauder of the Bass in ihrer Burg residierte. Seither haben die Basstölpel (der Name leitet sich vom Bass Rock ab) die Insel zur Gänze in Besitz genommen. Vom Boot aus hat man einen wunderbaren Blick auf Tantallon Castle auf den Klippen im Osten. Im Sommer gibt es vereinzelt eine Fährverbindung von hier nach Anstruther in Fife, so zu sagen die ehemalige Pilgerroute.
Um Tantallon Castle zu besuchen, kann man dem Küstenweg von North Berwick aus entlang gehen. Privathäuser verhindern auf dem letzten Stück, dass man der Küste folgt, und der anfangs recht einladende Weg wird immer schmäler. Man gelangt dann über einen inoffiziellen Pfad am Anfang der Bucht nach dem Golfplatz wieder zurück auf die Straße. Gutes Schuhwerk und etwas Vorsicht ist geboten, die Gehzeit ist etwas mehr als eine Stunde. Auch der Bus 120 fährt alle zwei Stunden von North Berwick aus und hällt beim Parkplatz der Ruine.
In Richtung Westen gelangt man mit dem Bus 124 (halbstündlich) nach Dirleton, und kann das dortige Castle besuchen, komplett mit einer netten Gartenanlage. Von Dirleton aus kann man dann Richtung Meer wandern und gelangt zum Yellowcraig Beach. Hier erinnert alles an Robert Luis Stevenson, nach dessen Buch „Die Schatzinsel“ der Spielplatz thematisch gestaltet ist. Man hat eine tolle Aussicht auf die Insel Fidra mit ihrem Leuchtturm, die Stevenson Vorbild für seine fiktive Insel gewesen sein soll. Auf Fidra findet man noch die Überreste einer Kirche und des Castle Tarbet, die aber nur vom Boot aus sichtbar sind. Von Yellowcraig aus kann man in zirka eineinhalb Stunden entlang endloser Sandstrände zurück nach North Berwick wandern.
Etwas westlich von Yellowcraig befindet sich Gullane Beach, beliebter Badestrand der Edinburgher. Es gibt Toiletten und Parkplatz. Wandert man etwas weiter nach Westen um die Landspitze herum, so ist man auf dem schönen Sandstrand vermutlich alleine. Hier kommen auch Geologen voll auf ihre Kosten, denn bei niedrigem Wasserstand sollte man in den Felsbecken in der Bucht von Aberlady nach Fossilien Ausschau halten.
In Prestongrange gibt es ein Freilichtmuseum, das von April bis September in die Geschichte der Industrie der Region einführt und allerhand alte Maschinen, einen Ziegelbrennofen, Kohle-Loren und ähnliches zu bieten hat. Hier wurde einst die Kohle der Umgebung zur Salzgewinnung in riesigen Pfannen genutzt und auch Baumaterial aus Ton und Kalkstein gewonnen. Jedes Jahr im Juni gibt es in der Region das „3 Harbours Arts Festival“ mit Ausstellungen lokaler und nationaler Künstler an verschiedenen Orten in den Städtchen Prestonpans, Cockenzie und Port Seton.
Schon zum Stadtgebiet von Edinburgh gehört Portobello – kurz Porty – mit seinem Strand, obwohl die Bewohner es gerne als eigenständige Stadt sehen. Den Namen erhielt der Ort von einem Veteranen der Schlacht von Porto Bello in Panama 1739, der hier sein Häuschen errichtete. Wörtlich übersetzt bedeutet der Name „schöner Hafen“. Einst war dieses Stückchen Strand populärer Ausflugs- und Badeort für die Edinburgher. Hier gab es außergewöhnliche Freizeiteinrichtungen, wie die Marine Gardens mit Ballsaal, Bummelzug, Kuriositätenshow und ähnlichem, einen Pier mit Restaurant und Observatorium, einen Vergnügungspark, ein Freiluft-Schwimmbad mit Wellenmaschine und zahlreiche Spielhallen. Im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts verschwanden diese Attraktionen nach und nach, und als einziges Erinnerungsstück blieb das viktorianische Hallenbad mit türkischem Dampfbad, in dem Sean Connery einmal Bademeister war. Wenn man heute mit einem Eis in der Hand die Promenade entlangspaziert, kann man sich die ruhmvolle Vergangenheit mit etwas Phantasie vorstellen. Will man den Touristenmassen und dem Verkehrslärm in Edinburgh für kurze Zeit entkommen, dann lohnt sich eine Busfahrt hier her. Am ersten Samstag im Monat gibt es einen netten Bio-Markt, und am östlichen Ende der Promenade das empfehlenswerte Pub „Dalriada“. Doch man beachte: übersteigen die Temperaturen an einem Wochenende die 25-Grad-Marke, was eine Sensation ist, so findet man jede zweite Edinburgher Familie hier draußen, und von Ruhe und Nostalgie ist nichts mehr zu spüren.
Fortsetzung folgt.