Pub-Erlebnis Edinburgh – Teil 1
Die interessantesten Pubs in Edinburgh: Teil 1: Altstadt und südlich der Princes Street
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Was stellt man sich unter einem richtigen schottischen Pub vor? Die Kneipe an der Ecke, mit hölzernem Tresen, blankpolierten Zapfhähnen, Teppichboden und gedimmtem Licht, mit richtiger Wohnzimmer-Atmosphäre? Oder die original viktorianische Taverne mit Holzvertäfelungen, bunten Glasfenstern, offenem Kaminfeuer und kleinen Séparées? Edinburgh hat ein breites Spektrum an Pubs zu bieten, von traditionell bis modern, von touristisch bis „Geheimtipp“, und sogar den einen oder anderen Biergarten (von Einheimischen „Sitooterie“ genannt), sowie Lokalitäten mit Hafen- oder Meerblick, es ist für jeden etwas dabei.
Im Pub trinkt man traditionell Bier oder Cider in „Pints“ oder „Half Pints“ (für Damen und Touristen), und natürlich das Nationalgetränk Whisky. Man bestellt an der Theke und gibt üblicher Weise kein Trinkgeld – anders als wenn man am Tisch bedient wird. Die Speisekarte in Pubs mit Küche beinhaltet Fish & Chips, Steak, Fleischpasteten, Burger, und allerhand sonstiges Frittiertes; sogar die Lasagne hat Pommes als Beilage. Je nach Typ des Pubs sollte man seine kulinarischen Erwartungen nicht zu hoch ansetzen. Man wird hier satt, ohne Restaurant-Preise dafür zahlen zu müssen. Nebst Essen und Trinken gibt es je nach Lokal Bildschirme mit Sportübertragungen, Dartboards, Billard-Tische, Spielautomaten, Pub-Quiz, Jukebox oder live Musik etc. Bei live Musik kann man zwischen bezahlten Musikern oder Bands, und sogenannten Pub Sessions unterscheiden. Bei einer Session kann jeder sein Instrument auspacken und spielen. Es ist also immer spannend, was einen erwartet. Musiker und Sessions starten meist erst spät, nicht vor 21:30 oder 22:00 Uhr. Rauchen in Pubs ist in Schottland seit 2007 verboten. Daher findet man vor vielen Lokalen Aschenbecher. Auch die Zahl der „Sitooteries“, teilweise mit Heizstrahlern ausgestattet, ist seither sprunghaft angestiegen.
Ich habe versucht, eine interessante Auswahl an Pubs herauszugreifen, die etwas Erlebenswertes bieten. Nicht jedes Pub ist für jeden Geschmack das Richtige, doch vielleicht könnt Ihr euch für das eine oder andere begeistern.
Die Altstadt
Zwei Pubs auf halbem Weg „down the close“, und doch so konträr
Beide Pubs, The Devil’s Advocate (9 Advocat’s Close), und The Halfway House (24 Fleshmarket Close), verstecken sich in schmalen, steilen, stufenreichen Durchgängen, die von der Royal Mile hinunter Richtung Waverley Station führen. Doch die beiden Lokalitäten könnten gegensätzlicher nicht sein.
The Devil’s Advocate ist ein relativ neues Pub, 2013 eröffnet und seither in aller Munde, aber dennoch etwas schwer zu finden. Advocate’s Close, das kleine Gässchen, gehört zu Edinburgh’s neuestem Altstadt-Erneuerungsprojekt. Altstadt-Erneuerung – wie passt das zusammen? Das Pub selbst ist ein Spiegelbild des ganzen Gässchens. Hier fügen sich Alt und Neu aneinander – moderne Penthäuser, Hotels und Restaurants, und die Mauern eines der ältesten Bürgerhäuser Edinburghs, aus dem 15. Jahrhundert. Hier hat man nicht nur ein teures Miet-Apartment in den alten Mauern errichtet, sondern dem mittelalterlichen Gebäude auch moderne Architektur auf den Kopf gesetzt. Das Gässchen wurde zum Vorzeigeprojekt der Stadtentwicklung und gewann zahlreiche Preise.
Das Pub selbst befindet sich in einem Pumpenhaus aus dem 19. Jahrhundert, in dem man Abwässer der benachbarten Druckerei sammelte, um sie abzuleiten. Spät aber doch erkannte Edinburgh die Notwendigkeit, seinen Dreck nicht einfach auf die Straße zu leiten. Das Haus wurde teilweise mit Liebe zum Detail umgebaut. Man erkennt zum Beispiel Ansätze früherer Stiegenhäuser im alten Gemäuer, Mezzanin und Dachbalken blieben erhalten. Jedoch wurde ziemlich zwanglos die Außenfassade samt Eingangstüren umgestaltet. Unverputzte Ziegelwände, dunkles Holz und Tropfkerzen lassen eine tolle Atmosphäre entstehen. Dies wird kombiniert mit Industrie-Lampen, einer von hinten beleuchteten Bar und einem Hauch moderner Deko.
Man trinkt hier Cocktails oder isst gehobenes Pub-Food (z.B. Serrano-Schinken mit Haggis-Bonbons). Whisky wird mit einer kleinen Pipette serviert, so dass man dezent Wasser zufügen kann. Die Whisky-Karte kann sich sehen lassen; sie enthält auch eine Auswahl an Bourbon und Rye, sowie „exotische“ Sorten aus Japan, Schweden etc. Auf einer kleinen Terrasse gibt es im Sommer ein paar Tische. The Devil’s Advocate ist im Moment das „In-Lokal“. Hofft man auf einen Sitzplatz, so sollte man reservieren.
In einem weiteren Gässchen von der Royal Mile hinunter Richtung Waverley Station liegt das kleine Pub The Halfway House. Im Gegensatz zu The Devil’s Advocate ist es nicht so hip und trendig, sondern traditionell, günstig, und man kommt sich eher vor wie im eigenen Wohnzimmer. Die Musik kommt aus der Jukebox, die Speise- und Getränkekarte sind weniger exotisch: Man findet hier alle schottischen Pub-Klassiker wie Cullen Skink, Haggis (nicht als Praline, sondern mit Neeps und Tatties), u.s.w, und man trinkt hier Ales oder Whisky – ohne Pipette und nicht aus Japan, dafür bedeutend preisgünstiger. Das CAMRA pub of the year 2005 gilt auch als das kleinste in der Stadt.
Live-Musik: nicht nur für Krimi-Helden
Ein kleines Stück die South Bridge hinunter findet man links in einer Seitengasse das Royal Oak (1 Infirmary Street), das berühmt für seine Folk Sessions und live-Musik ist und als solches auch schon in Ian Rankin’s Krimis ein Gastspiel hatte. Autor Ian Rankin selbst war gerne Gast in dem Pub. Er schrieb den Umschlagtext für eine CD mit den „Best of“ der dort gespielten Folkmusik: „I’ve had many a good night at Edinburgh’s Royal Oak. I like my pubs small, intimate, and filled with regulars. But I also like a bit of chat and a bit of music (and I have a dislike of puggies and doormen both). The Royal Oak fulfils this remit–and then some.“
Seinen Krimi-Helden John Rebus lässt er im Buch „Set in Darkness/Der kalte Hauch der Nacht“ eher zufällig diesem Pub einen Besuch abstatten: Er möchte eigentlich nur die Toilette im Keller aufsuchen, die von außen zugänglich ist. Durch ein Glasfenster sieht er dann seinen Widersacher Cafferty, den er sicher hinter Gittern glaubte, ein Burns-Lied preisgeben. Heute ist vor dem Pub Treffpunkt für Krimifreunde für die „Rebus-Walking-Tours“. Trotz der zwei Etagen ist das Pub sehr klein, eher schlicht und besonders in der Hauptsaison schnell voll. Der Auftritt in Rankin’s Krimi hat ihm zusätzlich zu einiger Bekanntheit verholfen. Hier gibt es täglich live-Musik und das Pub hat bis 2 Uhr früh geöffnet.
Westend
Das Bilderbuch-Kirchenpub
Das Lokal The Ghillie Dhu (2 Rutland Place) wurde erschaffen, um dem typischen Touristen-Führer Lokal-Tipp nicht nur zu entsprechen, sondern auch noch alle Erwartungen zu übertreffen. Es befindet sich unweit des westlichen Endes der Princes Street, zugänglich von Shandwick Place und Rutland Street, in einem denkmalgeschützten Gebäude, das einst die St. Thomas Episcopal Church war. Die Kirche wurde in den 1840er Jahren im neoromanischen Stil erbaut, die beiden Portale mit ihren schönen Verzierungen sind sehenswert. Der Saal im oberen Stock mit Kreuzgewölbe und hölzernem Orgelgehäuse dient als Tanz- und Veranstaltungsraum.
Die Unternehmergruppe G1 aus Glasgow kaufte und renovierte das Gebäude, um dort 2010 das Ghillie Dhu zu eröffnen. G1 besitzt über 40 Top-Lokalitäten in Schottland und hat schon oft einen guten Riecher bewiesen. Immer wieder machen sie aber auch Schlagzeilen durch anstößige Details in Bars und schlechte Bezahlung ihrer Mitarbeiter. Der Name Ghillie Dhu bedeutet auf Gälisch „schwarzer Kerl“ und bezeichnet einen Kobold, der in den Wäldern um Gairloch in den Highlands lebte. Bis heute weiß man nicht genau, ob es sich um eine mystische Figur oder ein menschliches Wesen handelte. Man beschreibt den Ghillie Dhu jedoch als kleinwüchsig, in Moos und Rinde gekleidet und kinderlieb. Heute ziert er das Logo des Pubs.
Etwas mystisch ist auch die Atmosphäre im Pub-Inneren. Neben der Haupt-Bar gibt es noch einen Raum mit Nischen und Séparées hinter Holztrennwänden. Sandstein-Säulen, hölzerne Decken, schwarz-weiß karierter Boden, üppiger Stuck und dunkelgrüne Samtvorhänge wirken etwas kitschig und erinnern an den Stilmix von improvisierten Theaterkulissen. Der alte Kirchensaal im Obergeschoß allerdings schafft strotzendes Ballsaal-Ambiente. Man isst hier etwas besseres Pubfood, die Getränkekarte ist touristengerecht und enthält ein bisschen von Allem. Die Angestellten tragen Kilt und Rugby-Shirt.
Großes Plus des Lokals sind die Öffnungszeiten: ganzjährig bis 3 Uhr früh, in der Festival-Zeit wird morgens nur kurz für Reinigungsarbeiten zugesperrt. Jeden Freitag gibt es ab 22 Uhr einen traditionell schottischen Ceilidh-Tanz (die Touristen-Version davon, trotzdem erlebenswert, auch für Tanz-Anfänger) mit anschließender Disco, buchen kann man ihn auch mit Dinner davor. Zudem gibt es täglich live Musik in der Bar, Kabarett und Festival-Aufführungen. Auch zu Weihnachten und Silvester kann man im Ghillie Dhu Menüs und Tanz buchen.
Weiter südlich
Das Pub deiner Gebete
In einem ehemaligen Priesterhaus aus dem 19. Jahrhundert, direkt neben einer Kirche, befindet sich die Cloisters Bar (26 Brougham Street). Während viele protestantische Priester dem Laster des Alkohols mit allen Mitteln ein Ende bereiten wollten, gab es wohl genauso viele, die mehr oder weniger heimlich ein oder mehrere Gläschen tranken, Pubs besuchten oder sogar in illegale Whisky-Produktion involviert waren. So weiß man nicht, ob der ehemalige Priester sich im Grab umdrehen oder darüber schmunzeln würde, wenn er wüsste, dass sein Haus zu einem Pub umfunktioniert wurde. Die Holzbänke und bunt verzierten Glasfenster erinnern etwas an das Interieur einer Kirche, das große Kaminfeuer – wenn auch nur eine Kohlengas-Imitation, verleiht dem Lokal eine gemütliche Atmosphäre. Die Einrichtung ist eher spartanisch als überladen, mit ein paar Werbespiegeln und Holzfässern.
Besonders bekannt ist Cloisters als Bierlokal (19 Zapfhähne), mit einer wechselnden Auswahl an Spezialitäten auf der großen Tafel, insbesondere Ales. Auch Whisky-Trinker kommen auf ihre Kosten. Ob der Gegend ist das Lokal nicht allzu touristisch, man findet hier Studenten und Leute, die nach der Arbeit auf einen Drink kommen. Hunde und Kinder ab 5 Jahren (zum Essen mit der Familie) sind willkommen. Keine Fernseher oder Jukeboxen stören hier die persönlichen Gespräche, es gibt sogar Brettspiele und Bücher zum Ausleihen. Das Essen ist Pub-Food mit etwas mehr Auswahl als nur die Klassiker, die Burger werden auf einem Holzbrett, die Pommes im kleinen Kübel serviert. Die Küche ist montags geschlossen.
Ein halbes Jahrhundert Folk-Sessions
Gleich um die Ecke vom Greyfriars Friedhof findet man Sandy Bell’s (25 Forrest Road). Die Einrichtung ist eher unspektakulär, zu essen gibt es hier mit etwas Glück hausgemachte Pies, ansonsten aber keine Küche. Berühmt ist das Pub aber für seine Folk-Sessions, die täglich stattfinden, zur Festival-Zeit sogar nachmittags und abends. Zufallsgäste spielen hier vor allem irische und schottische traditionelle Klänge, man weiß also nie was einen erwartet. Das Pub gibt es seit den 1920er Jahren und die Sessions seit den 60ern, und so mancher spätere Star wurde hier geboren. Gespielt haben hier schon die Dubliners, und Jock Tamson‘s Bairns haben sich hier gefunden. Die Rolle des Pubs für das Revival der keltischen Musik ist bemerkenswert, und diese Tradition hat erstaunlicher Weise nie nachgelassen. Dies ist also das echte Pub-Session Lokal, nicht nur die folkloristische Wiederbelebung dieses Brauches für Touristen und Festival-Gäste.
Original viktorianisches Stammbeisl
Etwas abseits gelegen in Newington liegt Leslie’s Bar (47 Ratcliffe Terrace). Das Pub besteht seit 1896 und an der Inneneinrichtung hat sich seither wenig verändert. Wer also original viktorianisches Pub-Feeling erleben möchte, kommt hier voll auf seine Kosten. Besonders sehenswert sind die reich verzierte Holzdecke und die Uhr der berühmten Edinburgher Firma Bryson. Die imposante hölzerne Bar teilt das Lokal in zwei Hälften: Während sich rechts der normale Bar-Raum – ehemals für die Arbeiter-Klientel – befindet, gelangt man links in einen Salon, der durch eine Holzwand von der Bar getrennt ist. Noblere Gäste und auch Paare oder Damen genossen hier einst ihre Privatsphäre, und bestellten durch einen der vier Durchlässe, die damals auch noch mit einem Vorhang verhängt waren. Man wollte nicht von jedem gesehen werden. Die Getränke- und Speisenauswahl hält sich in Grenzen, aber man isst und trinkt hier günstig. Sollte man einmal in diese Gegend kommen – oder in einer der zahlreichen Pensionen in der Nähe wohnen – zahlt sich ein Besuch ob des besonderen Ambientes allemal aus.
Schrulliges Whisky-Paradies
Etwas abgelegen in Morningside ist das Pub Canny Man’s (137 Morningside Road) doch erwähnenswert: Einerseits ob seiner Auswahl an Whiskys (hier gibt’s auch absolute Raritäten, Verkostungen, Whisky-Flights zum Durchkosten) und Champagner, andererseits ob seiner eigentümlichen, fast schrulligen Deko. Viele Uhren, chinesische Schirme, ein Boot, ein Kinderwagen, Uniformen, Schwerter und eine Schaufensterpuppe hängen von Decke und Wänden. Für warme Tage gibt es einen kleinen Biergarten. Die Speisekarte wirkt experimentell, zumindest in der Namensgebung der Gerichte. Allerdings ist die Bedienung für ihre Direktheit bekannt. Ein Hinweisschild vor dem Eingang verkündet „No smoking. No credit cards. No mobile phones. No cameras. No backpackers.“ No children, könnte man noch hinzufügen. Herber Charme. Also, man nehme sich in Acht!
Weiter östlich
Das Dorf-Wirtshaus „Zum Schafskopf“
In Duddingston, einem alten „Dorf in der Stadt“, liegt das Sheep Heid Inn (43-45 The Causeway). Ein Pub existiert an dieser Stelle seit mindestens 1360, es ist wahrscheinlich das älteste Pub Schottlands. Das Lokal liegt in netter Umgebung, unweit des Sees Duddingston Loch und der Kirche (12. Jahrhundert). Nach einer Wanderung über den Arthur’s Seat oder einem Spaziergang am See und durch den netten Dr. Neil’s Garden ist es der ideale Ort zu rasten und sich zu stärken. Woher der Name des Pubs kommt ist nicht ganz sicher. Auf den Wiesen am Fuße des Arthur’s Seat grasten einst Schafe, die in Duddingston geschlachtet und dann in Edinburgh auf dem Fleshmarket verkauft wurden. Da sich die Schafsköpfe (schottisch „sheep heids“) schlecht verkauften, blieben sie den Dorfbewohnern, die sie zu Suppe und anderen Gerichten verarbeiteten.
In diesem Lokal waren im 16. Jahrhundert Maria Stewart und später ihr Sohn Jakob VI Stammgäste. Der letztere schenkte dem Wirt im Jahr 1580 eine Schnupftabakdose, die aus einem Hammelkopf gefertigt war. Dieses besondere Geschenk könnte ebenfalls der Ursprung des Namens sein. Heute findet man im Lokal eine Kopie der Dose aus dem 19. Jahrhundert ausgestellt, das Original ist in Privatbesitz. Das Pub wurde kürzlich renoviert, ohne das alte Gemäuer zu zerstören. Auch die Kegelbahnen aus 1870 blieben erhalten, Treffpunkt für Klubs von Rang und Namen. Das Innere des Pubs ist in Pastelltönen gehalten, und vermittelt mit Teppichböden, Vorhängen, offenen Kaminen und Antiquitäten eine Wohnzimmer-Atmosphäre. In den kleinen Räumen des oberen Stockwerks isst man saisonale, herzhafte Spezialitäten. Unten im Pub trinkt man neben den üblichen Getränken auch Aperol Spritz, Gluten-freies Bier und alkoholische und alkoholfreie Cocktails. Im Innenhof befindet sich ein netter Gastgarten mit schmiedeeisernen Sesseln und Sonnenschirmen. Ab und zu gibt es live Musik, Theater-Vorführungen, Buchlesungen oder Grillabende.
Teil 2 folgt.